Offener Brief zur Studienordnung

Vor kurzem haben wir euch über die Versuche der Biochemie informiert, Studierende, die an der Abschlussklausur wegen Krankheit nicht teilnehmen können, zu einem zusätzlichen Semester zu zwingen. (Ausführliche Infos: www.um-goe.de/biochemie)

Leider ist dieser Vorfall nur einer von vielen, die unter uns Studierenden für Unmut sorgen: Stundenpläne werden teilweise erst 3 Tage im Voraus mitgeteilt; Lehrveranstaltungen, darunter Kurse, in denen elementare ärztliche Basisfertigkeiten unterrichtet werden, fallen aus, weil Lehrende unentschuldigt fehlen und kein Ersatz verfügbar ist; Informationen zu anstehenden Klausuren fehlen und werden erst nach mehrmaligem Nachfragen bekannt gegeben; in manchen Fächern/Modulen reicht bereits Krankheit, die länger als einen Tag andauert, aus, um nicht zur Klausur zugelassen zu werden.

Bald soll die Studienordnung überarbeitet werden. Um unserem Unmut Ausdruck zu verleihen und unsere Forderungen zu unterstreichen, haben wir einen offenen Brief an Herrn Prof. Trümper, unseren Studiendekan, und die Mitglieder der Studienkommission und des Fakultätsrats vorbereitet. Bitte unterstützt uns, indem ihr euch dem Brief anschließt. Dazu werden wir diese Woche von Dienstag bis Freitag, jeweils von 12-14 Uhr, an unserem Infostand bei der Bibliothek Unterschriftenlisten auslegen und eure Fragen beantworten.

Außerdem brauchen wir eure Hilfe bei einer Postkartenaktion: Wir haben Karten vorbereitet, auf denen unsere Forderungen nochmal kompakt aufgeführt sind. Darunter gibt es ein Textfeld, in das ihr eure persönliche Meinung schreiben könnt. Anschließend werft ihr die Karten in den Briefkasten des Studiendekanats oder gebt sie uns, damit wir sie an die Mitglieder der Studienkommission und des Fakultätsrats verteilen können.

Die EntscheidungsträgerInnen müssen merken, dass uns alle diese Themen beschäftigen. Nur gemeinsam können wir Verbesserungen in der Studienordnung erreichen.

Hier könnt ihr den Brief als PDF-Datei aufrufen.

Text des Briefs

Sehr geehrter Herr Prof. Trümper, sehr geehrte Mitglieder der Studienkommission und des Fakultätsrats,

das Ziel unseres Studiums, das wir alle verfolgen, ist es, gute Ärztinnen und Ärzte zu werden. Dazu hätten wir in Göttingen gute Möglichkeiten: Unsere Bibliothek ist sehr modern und gut ausgestattet. Gemeinsam mit dem studentischen Trainingszentrum ärztlicher Praxis und Simulation (STÄPS) existieren so gute Bedingungen, um sich sowohl theoretisches Wissen, als auch praktische Fertigkeiten anzueignen.

Leider ist momentan die Realität unseres Studienalltags, dass es trotz guter materieller Rahmenbedingungen, viele Probleme gibt, die unter uns Studierenden für Unmut sorgen:
Jüngst hat die Biochemie versucht, Studierende, die an der Abschlussklausur wegen Krankheit nicht teilnehmen können, zu einem zusätzlichen Semester zu zwingen. (weitere Infos: www.um-goe.de/biochemie); Stundenpläne werden teilweise erst 3 Tage im Voraus mitgeteilt; Lehrveranstaltungen, darunter Kurse in denen elementare ärztliche Basisfertigkeiten unterrichtet werden, fallen aus, weil Lehrende unentschuldigt fehlen und kein Ersatz verfügbar ist; Informationen zu anstehenden Klausuren fehlen und werden erst nach mehrmaligem Nachfragen bekannt gegeben; in manchen Fächern/Modulen reicht bereits Krankheit, die länger als einen Tag andauert, aus, um nicht zur Klausur zugelassen zu werden.

Insgesamt müssen wir leider feststellen, dass unter uns Studierenden in der letzten Zeit mehr und mehr der Eindruck entsteht, dass manche Entscheidungen bewusst zu unserem Nachteil getroffen werden und unsere bereits sehr angespannte Situation im Studium kaum ernst genommen wird. Die jüngsten Ideen der Biochemie sind hierfür das beste Beispiel.

Bald soll die Studienordnung überarbeitet und geändert werden. Wir fordern Sie daher dazu auf, unsere Situation im Studium nicht weiter zu verschärfen, sondern die folgenden Änderungen umzusetzen:

Studierende mit Kind und Menschen mit chronischer Erkrankung oder Beeinträchtigung sind in ihrem Alltag mit vielen Situationen konfrontiert, die nur schwer oder kaum planbar sind, wie z.B. eine Erkrankung des Kindes oder ein akuter Schub der Erkrankung. Dadurch wird der Studienalltag erschwert und die Prüfungs- und Studierfähigkeit eingeschränkt. Als Fakultät bzw. Unternehmen, das durch den Audit “berufundfamilie” für Familienfreundlichkeit steht, sollten wir hierauf besondere Rücksicht nehmen. Der Elternpass sowie die 50%-Anwesenheitsregel für Eltern sind sinnvolle Regelungen. Letztere sollte jedoch auch für chronisch kranke Studierende bzw. Menschen mit Beeinträchtigung gelten. Außerdem muss die besondere Situation der genannten Personengruppen auch in der langfristigen Studienplanung berücksichtigt werden.
Wir fordern daher: Verlängerung der 18-Monate Frist um zwei Semester für Eltern und chronisch kranke Menschen und Menschen mit Beeinträchtigung; Gültigkeit der 50%-Regel auch für chronisch kranke Menschen und Menschen mit Beeinträchtigung.

Stundenpläne werden den Studierenden teilweise erst wenige Tage im Voraus mitgeteilt, so wie zu Beginn dieses Semesters. Die Position des Studiendekanats hierzu ist, dass es doch ausreichen müsse, wenn man weiß, dass unter der Woche im Zeitraum von jeweils 8 – 18 Uhr Veranstaltungen stattfinden können – das Medizinstudium sei schließlich ein Vollzeitstudium. Die verantwortlichen Personen verschließen damit die Augen vor der Realität und der Tatsache, dass viele Studierende arbeiten müssen, um sich das Studium zu finanzieren. Auch für Eltern oder chronisch kranke Menschen sind die späten Stundenpläne eine erhebliche Zusatzbelastung. Uns Studierenden fehlt eine Planungssicherheit, die in jedem Job selbstverständlich ist.
Es gibt keinerlei Konsequenz, wenn die Stundenpläne nicht rechtzeitig, also “mindestens 2 Wochen vor Ereignisbeginn” (1), bekannt gegeben werden. Während wir uns exakt an die Studienordnung halten müssen, nimmt es das Studiendekanat hier scheinbar nicht so genau.
Wir fordern daher: Veröffentlichung der Stundenpläne mindestens 4 Wochen vor Vorlesungsbeginn für alle Lehrveranstaltungen, die in diesem Semester stattfinden (inkl. Blockpraktika). Wird dies nicht gewährleistet, gilt die Anwesenheitspflicht für das jeweilige Modul/Fach nicht.

Das Medizinstudium ist, vor allem in der Klinik, sehr verschult und durch die hohe Anzahl an Veranstaltungen und die Vorgaben der Studienordnung ist unsere Flexibilität stark eingeschränkt. So ist es z.B. nicht möglich, sich ohne ärztliches Attest vom Erstversuch einer Prüfung abzumelden. Es gibt jedoch Fälle, in denen Studierende durch persönliche Umstände im Lernen eingeschränkt sind und daher nicht am ersten Versuch teilnehmen können.
In vielen Fällen, z.B. bei der Klausurvorbereitung, wird von uns ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Selbstständigkeit gefordert. Diese sollte uns auch in der Planung unseres Studiums zugetraut werden, zumal es mit der 18-Monate Regel ein Instrument gibt, das bereits zeitliche Grenzen zum Bestehen von Klausuren vorgibt.
Wir sind nicht faul und wollen unser Studium nicht unnötig in die Länge ziehen. Das hat u.a. schon finanzielle Gründe, da etwa BAföG nur während der Regelstudienzeit gezahlt wird. Auch der Anspruch auf Kindergeld endet mit der Vollendung des 25. Lebensjahres.
In der Studienabschnittsevaluation Vorklinik gab die klare Mehrheit der Studierenden an, dass sie die Vorklinik innerhalb der Regelstudienzeit abgeschlossen haben und dabei keine Klausur wiederholen mussten.
Wir fordern daher: Insgesamt 3 Wiederholungsmöglichkeiten für Klausuren; Möglichkeit, sich von Klausuren bis eine Woche vor dem Prüfungstermin abzumelden; Selbstständige Anmeldung zu Wiederholungsprüfungen – ohne Ausnahmen.

Die Anwesenheitspflicht von 80% und die teilweise sehr enge Zeitplanung bei den Veranstaltungen führt dazu, dass in manchen Modulen bzw. Fächern (z.B. Modul 4.1) bereits eine Krankheit, die länger als einen Tag andauert, ausreicht, um die maximale Fehlzeit von 20% zu überschreiten und damit nicht zur Klausur zugelassen zu sein. Krankheit kann jeden zu jeder Zeit treffen. Dies muss akzeptiert werden anstatt zu Nachteilen zu führen.
Des Weiteren sehen wir insbesondere eine medizinische Fakultät in der Verantwortung, die eigenen Studierenden nicht dem Dilemma auszusetzen, entweder trotz ansteckender Erkrankung am Unterricht am Krankenbett teilzunehmen und hiermit eine Gefährdung der Patienten in Kauf zu nehmen, oder die eigene Klausurzulassung durch Abwesenheit aufs Spiel zu setzen.
Wir fordern daher: Reduktion der Anwesenheitspflicht auf 70%; Im Fall von Krankheit muss es die Möglichkeit geben, die verpassten Termine nachzuholen. Ist dies nicht möglich, darf das krankheitsbedingte Fehlen nicht als Fehltermin gewertet werden.

Unsere Forderungen im Überblick:

  • Reduktion der Anwesenheitspflicht auf 70 %
  • Im Fall von Krankheit muss es die Möglichkeit geben, die verpassten Termine nachzuholen. Ist dies nicht möglich, darf das krankheitsbedingte Fehlen nicht als Fehltermin gewertet werden.
  • Insgesamt 3 Wiederholungsmöglichkeiten für Klausuren
  • Möglichkeit sich von Klausuren bis eine Woche vor dem Prüfungstermin abzumelden
  • Selbstständige Anmeldung zu Wiederholungsprüfungen – ohne Ausnahmen
  • Verlängerung der 18-Monate Frist um 2 Semester für Eltern und chronisch kranke Menschen und Menschen mit Beeinträchtigung
  • Gültigkeit der 50%-Regel auch für chronisch kranke Menschen und Menschen mit Beeinträchtigung
  • Bekanntgabe der Stundenpläne mindestens 4 Wochen vor Vorlesungsbeginn für alle Lehrveranstaltungen, die in diesem Semester stattfinden (inkl. Blockpraktika). Wird dies nicht gewährleistet, gilt die Anwesenheitspflicht für das jeweilige Modul/Fach nicht.
  • Wiederholungsprüfungen stehen allen Studierenden offen, die auch die reguläre Klausur hätten schreiben dürfen oder im betreffenden Fach bereits mindestens einmal eine Klausur nicht bestanden haben.

Wir bitten Sie als EntscheidungsträgerInnen: Sprechen Sie uns an und reden Sie offen mit uns über die Situation, in der wir uns befinden, und vor welchen Problemen wir stehen. Gehen Sie bei Gelegenheit durch unsere Bibliothek und machen Sie sich ein Bild davon, wie viele Studierende dort in den Lernboxen und an den Gruppenarbeitsplätzen viele Stunden am Tag für ein erfolgreiches Studium lernen und arbeiten. Nehmen Sie uns und unsere Forderungen ernst und setzen Sie sich dafür ein.

Mit freundlichen Grüßen,

die unterzeichnenden Göttinger Medizinstudierenden

(1): §13, Abs. 2 der Studienordnung für den Studiengang HUMANMEDIZIN an der Georg-August-Universität Göttingen